Skip to main content

Die (Finanz-)Welt nach der Corona-Pandemie

Erstellt von Ina von Janowski | | Business | FinanzenDigitalisierung

Wie ist die wirtschaftliche Lage nach der Pandemie, was lernen wir aus den letzten eineinhalb Jahren, und wie geht es nun weiter? Diesen Fragen gingen Stefan Bielmeier, Vorstand der DZ Privatbank, und Prof. Dr. Klaus Schweinsberg, Affiliate Professor an der ESCP Business School Paris, in ihren Vorträgen auf dem Investorenforum der Braunschweiger Privatbank am 6. September 2021 nach.

„Nach Beginn der Corona-Krise haben die Regierungen und Zentralbanken schnell reagiert“, stellt Stefan Bielmeier fest. Dies war auch deshalb möglich, weil es sich um Weiterentwicklung der Hilfsprogramme handelte, die infolge der weltweiten Wirtschaft- und Finanzkrise von 2008 noch in der Schublade lagen. Nachdem die Weltwirtschaft durch diese historisch einmalig großen Fiskalimpulse und weitere Maßnahmen kräftig angekurbelt wurde, stolpert sie nach turbulenten eineinhalb Jahren zurück in die Normalität.

Auch wenn Lieferketten teilweise noch unterbrochen sind, und die Rohstoffpreise insbesondere im Baugewerbe kräftig gestiegen, wächst die Wirtschaft kräftig. Prognosen der DZ Privatbank zufolge wird das weltweite Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr um 6,0 Prozent und 2022 um 4,2 Prozent steigen. Dieses Wachstum wird sich mit der Zurückführung der Hilfsmaßnahmen laut Bielmeier jedoch wieder verlangsamen, weil es zu wenige Investitionen für ein sich selbst tragendes Wachstum gibt.

 In der Volkswirtschaft gibt es laut Bielmeier eine einfache Formel: Je niedriger die Realrenditen, umso stärker ist das Wachstum. „Eigentlich müssten die Investitionen explodieren, die aktuelle Entwicklung zeigt jedoch eine andere Tendenz, weil keiner dem ‚Braten‘ so richtig traut. Noch dazu sind die politischen Unsicherheiten extrem schwierig“, so die Analyse des Volkswirts.

Inflation wohl nur ein temporäres Phänomen

Die gegenwärtig hohe Inflation wird nach Einschätzung der Zentralbanken Anfang 2022 wieder auf ein Niveau von zwei Prozent sinken. Momentan erleben wir eine Phase, in der der Aktienmarkt und auch Kryptowährungen kräftig profitieren. Von hohen Investitionen in Kryptowährungen rät Bielmeier ab, doch Aktien bleiben eine attraktive Assetklasse. „Die niedrigen Zinsen und gute Konjunktur sprechen dafür, dass es im nächsten Jahr neue Höchststände an den Börsen geben wird“, so die Einschätzung des international renommierten Volkswirts. Insbesondere die Sektoren Technologie, zyklischer Konsum, Gesundheit und Finanzen böten noch Spielraum nach oben.

Aktienmärkte fast konkurrenzlos

„Der technologische oder soziale Wandel und die Mobilität sind Trends, die völlig unabhängig vom Zinszyklus oder von den konjunkturellen Zyklen zu betrachten sind“, meint der Vorstand der DZ Privatbank. „Auch Cybersicherheit ist bereits heute ein Riesenmarkt, genau wie Cloudcomputing, Quantencomputer oder Künstliche Intelligenz.“

 Nach seiner Einschätzung rückt zudem die Nachhaltigkeit zunehmend in den Fokus. Bielmeier ist überzeugt: „Wir werden uns mit der Energiewende, Investitionen in entsprechenden Technologien verstärkt beschäftigen müssen. Der Klimawandel wird enorme Investitionen auslösen, von dem Anleger bzw. Investoren profitieren können. Schaut man sich die CO2-Neutralität an, wird deutlich, dass der Nachhaltigkeitsindex sehr gut performt.“

Prof. Dr. Klaus Schweinsberg fügte der umfassenden Analyse von Stefan Bielmeier weitere Facetten hinzu und skizzierte die Auswirkungen der aktuellen Entwicklung auf die Unternehmen. „Wir leben in einer Phase, die extrem volatil ist. Man weiß an keinem Tag, wann einem der ‚schwarze Schwan‘ entgegen schwimmt. Alles ist enorm komplex, flankiert von Ungewissheiten“, bringt es Prof. Schweinsberg auf den Punkt. Für die Zukunft sagt er drei markante Entwicklungen voraus: Die Welt wird digitaler, in Teilen radikaler und wieder nationaler werden.

Nachholbedarf in Sachen Digitalisierung

Für Deutschland sieht er im digitalen Bereich einen hohen Nachholbedarf. „China hat mit 168 Supercomputern im Vergleich zu Deutschland, mit gerade mal 26 Computern, die Nase ganz weit vorn. Ein entscheidender Wettbewerbsvorteil geht hier verloren. Ein weiteres Beispiel für den Rückstand ist der 5G-Ausbau, bei dem Deutschland ebenfalls deutlich hinterherhinkt“, fasst er zusammen. Er appelliert an die Unternehmen, Digitalisierung wesentlich beherzter anzugehen. „Unternehmer müssen das Thema durchdringen und auch ins Risiko gehen, um erfolgreich bestehen zu können. Reagieren die etablierten Player nicht zügig und vor allem nicht radikal genug, werden digitale Geschäftsmodelle sie in naher Zukunft regelrecht vom Markt fegen“, so seine Prognose.

Die in relativ kurzer Zeit stattfindende Wertverschiebung an der Börse unterstreicht seine Aussage und zeigt eine alarmierende Entwicklung: Die fünf großen TEC-Unternehmen in den USA sind genauso viel wert wie der DAX (Stand Sept. 2021). Der Experte ist sich sicher: Unternehmen wird eine schwierige Zeit bevorstehen, wenn sie nicht umgehend auf die Entwicklungen reagieren und zügig gegensteuern. Er mahnt: „Es besteht dringender Handlungsbedarf. In der Geldpolitik sind bereits radikale Schritte umgesetzt worden, und diese müssen auch zukünftig konsequent erfolgen. Die Nullzinspolitik wird nicht andauern.“

Wirtschaftliche Wende nötig

Der Trend, sich auf nationale Themen zu fokussieren, verfestigt sich, vor allem in China und in den USA. Setzt sich diese Entwicklung fort, werden sich europäische Unternehmer irgendwann mit der Gretchenfrage konfrontiert sehen, ob sie sich für die Zusammenarbeit mit China oder mit den USA entscheiden. Unabhängig davon, wie ihre Entscheidung dann ausfällt, wird sie sich unmittelbar auf das Geschäft und ihr Unternehmen auswirken.

„Aktuell geben wir auf viele globale Themen nationale Antworten. Das ist nicht zielführend“, kritisiert der Wissenschaftler. Als Beispiel führt er Afghanistan an: Ein globales Thema am Anfang, nationale Antworten bzw. Aktionen beim Rückzug. „Das Gleiche zeigte sich während der Corona-Pandemie, in der wir einen Totalausfall der Europäischen Union bis hin zu Grenzschließungen erlebten. Auch hier gab es für ein globales Problem nur nationale Antworten.“

Gestalten statt abwarten

Nach dem kritischen Einblick beendet Professor Schweinsberg seinen Vortrag dennoch mit positiv stimmenden Schlusssätzen, kombiniert mit einem Aufruf: „Wie so häufig, ist die Situation nicht planbar, aber sie ist gestaltbar. Jetzt geht es darum, mutig Entscheidungen zu treffen.“

Zurück
„WELTWIRTSCHAFT STOLPERT IN DIE NORMALITÄT“ - Stefan Bielmeier
„WELTWIRTSCHAFT STOLPERT IN DIE NORMALITÄT“ - Stefan Bielmeier
„DIE WELT WIRD DIGITALER, IN TEILEN RADIKALER UND WIEDER NATIONALER WERDEN.“ - Prof. Klaus Schweinsberg
„DIE WELT WIRD DIGITALER, IN TEILEN RADIKALER UND WIEDER NATIONALER WERDEN.“ - Prof. Klaus Schweinsberg