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"Vertrauen erreicht man nur durch Kontinuität"

Erstellt von Fabien Tronnier | | Finance

Zum 1. Juni 2023 endet das Kapitel „Volksbank“ für Vorstandsmitglied Ralf Schierenböken nach rund 42 Jahren im Bankgeschäft. Der gebürtige Nienburger verabschiedet sich in den wohlverdienten Ruhestand. In BraWo aktuell spricht Schierenböken noch einmal ausführlich über seinen Werdegang, dem besonderen Merkmal einer Genossenschaftsbank und seinen persönlichen Werten. Denn eines zählte für ihn immer eines zuerst: Das Wohl der Kundinnen und Kunden sowie der Mitarbeitenden.


Herr Schierenböken, Sie sind 1962 in Nienburg/Weser geboren. Wie hat die norddeutsche Tiefebene in der Mittelweserregion Ihre Kindheit und Jugend geprägt?

„Meine Heimatstadt Nienburg liegt zwischen Hannover und Bremen und genießt mit ihrer Lage an der Weser und den Strukturen einer gepflegten Kleinstadt einen besonderen Charme. Ich habe dort eine sehr schöne Kindheit und Jugendzeit verleben dürfen.“


Waren Sie ein guter Schüler und was waren Ihre Lieblingsfächer? Mathematik?

„Wie definiert man einen guten Schüler? Rein nach den Zensuren zu urteilen, war ich ein ganz normaler Durchschnittsschüler. Aber ich bin tatsächlich immer gerne zur Schule gegangen. Natürlich gab es Fächer, die mehr Spaß bereiteten als andere. Ich hatte z.B. das große Glück, dass mein Gymnasium damals das einzige in Niedersachsen war, an dem Wirtschaftslehre als Prüfungsfach im Abitur angeboten wurde. Ja und Mathematik zählte zu meinen Lieblingsfächern.“


Sie haben im Jahr 1981 eine Ausbildung als Bankkaufmann bei der Volksbank Neustadt am Rübenberge begonnen. Was waren die Gründe dafür?

„Ich komme aus einer kaufmännisch geprägten Familie. Mein Vater war im Landmaschinenhandel tätig und ich hatte mich schon früh für einen kaufmännischen Beruf interessiert, am liebsten wollte ich in den Kfz-Handel einsteigen. Da sich die Autoindustrie in den 80ern allerdings in einer Krise befand, entschied ich mich für eine Bankausbildung."


Wie haben Sie die 80er-Jahre in der Volksbank-Welt erlebt und von welchen Themen war diese damals geprägt? Rechenmaschine, Jeanssparbuch, „Wir machen den Weg frei“-Werbung?

„Die 80iger-Jahre waren nicht einfach. Die Zinsen und die Inflation waren extrem hoch. Die wirtschaftliche Lage der Unternehmen war schwierig und der Immobilienmarkt lag am Boden. Immobilien fanden keine Käufer und viele Banken hatten große Probleme. Die gewerkschaftseigene Immobiliengesellschaft „Neue Heimat“ mit 180.000 Wohnungen wurde z. B. für den symbolischen Wert von einer D-Mark veräußert. Eine Transparenz der Risiken im Kreditbuch einer Bank wie wir sie heute kennen, gab es noch nicht.“
 

Was war früher besser als heute in der Volksbank und was ist dort heute besser als früher?

„Wenn früher etwas besser gewesen wäre, hätten wir alle etwas falsch gemacht. Es ist manchmal schön, sich an alte Zeiten zu erinnern, aber ich kenne keinen, der in diesen Zeiten noch einmal arbeiten möchte.“


Sie waren bis zum Jahr 1987 bei der Volksbank Neustadt am Rübenberge tätig, zuletzt als Leiter der Kreditabteilung. Warum haben Sie diese nach sechs Jahren verlassen?

„Ich hatte schon als Kind mein Konto bei der Volksbank. Da ich nach dem Abitur entgegen meiner Erwartung nicht zur Bundeswehr musste, war ich plötzlich sehr spät mit der Suche eines Ausbildungslatzes dran. Es ergab sich durch Zufall, dass für den Jahrgang noch ein Azubi in der Volksbank Neustadt gesucht wurde und habe 1981 dort meine Banklehre begonnen. Nach sechs Jahren wechselte ich dann 1987 zur Deutschen Bank nach Göttingen, da ich in Neustadt keine positive berufliche Perspektive mehr sah."


Sie haben dann fast 15 Jahre lang als Unternehmenskundenbetreuer, zuerst ein Jahr bei der Deutschen Bank in Göttingen und anschließend bis 2001 bei der Volksbank Hannover gearbeitet. Was hat Sie an der Tätigkeit gereizt, Firmen umfassend im Kredit-, Anlage- und Dienstleistungsgeschäft zu beraten und zu betreuen?

„Entgegen vorheriger Planungen kam es 1987 zur Fusion der Volksbank Neustadt mit der Volksbank Hannover. Dieses Haus zählte zu den größten Volksbanken in Norddeutschland und bot sehr gute berufliche Perspektiven. Ich lernte in dem Jahr bei der Deutschen Bank sehr viel, aber eben auch, dass ein gänzlich anderes Kundenverständnis vorherrschte. Werte der genossenschaftlichen Gruppe, wie z.B. die dauerhafte vertrauensvolle, persönliche Bindung zwischen Berater und Kunde wurden im Firmenkundenbereich als Risiko gesehen. Häufige Beraterwechsel waren die Folge. Insofern fiel mir 1988 die Entscheidung sehr leicht, zur Volksbank Hannover zu wechseln. Dort hatte ich die Möglichkeit viele Jahre im Großkundensegment eigenverantwortlich tätig zu sein. Das Firmenkundengeschäft bietet unendliches Lernpotenzial und ermöglicht wirtschaftliches und steuerliches Know-how optimal in eine vertrauensvolle Kunde-Bank-Beziehung einzubringen. Kurzum, jeder Arbeitstag bietet neue Herausforderungen, was die Tätigkeit besonders interessant macht.“
 

Was macht aus Ihrer Sicht eine gute Bankberaterin bzw. guten Bankberater aus?

„Guter Beraterinnen und Berater benötigen aus meiner Sicht ein sehr umfangreiches, auf das Kundenklientel abgestimmtes Fachwissen. Damit allein ist es aber nicht getan. Sie müssen zuhören, den Kundenbedarf durch gute Analyse ermitteln und dann den Kunden mit einem optimalen also passgenauen Angebot überzeugen können.“
 

Was sind die wichtigsten Soft Skills, die man für diese Aufgabe besitzen sollte? Was haben Sie besser gemacht als andere Kollegen?

„Ich glaube es ist extrem wichtig, dass die Kundinnen und Kunden volles Vertrauen zur Bank haben. Eine Partnerschaft funktioniert aber nur, wenn man offen und ehrlich miteinander umgeht. Das ist nicht immer einfach, da man den Mut haben muss, auch kritische Punkte offen zu hinterfragen bzw. anzusprechen. Gleichzeitig muss aber auch der Kunde ermutigt werden, offen Probleme ansprechen zu können, ohne dadurch einen Nachteil zu erfahren. Dieses gegenseitige Vertrauen erreicht man nur durch Kontinuität in der Betreuung und es muss aufgrund positiver Erfahrungen wachsen. Die Frage, ob ich etwas besser gemacht habe als andere Kollegen stellt sich nicht und kann eh nur der Kunde beantworten. Ich habe immer so gehandelt, wie ich es für mich und die Bank verantworten konnte und wie ich es mir aus Kundensicht von der Bank gewünscht hätte.“
 

Wann und warum sind Sie zur Volksbank Peine gewechselt?

„Der Kontakt kam über Herrn Biniok, der seit meinem zweiten Lehrjahr Vorstandsmitglied in der Volksbank Neustadt war, zustande. Ich lernte aufgrund seiner Erfahrung sehr viel von ihm und erfuhr eine sehr gute berufliche Förderung. Ende der 80iger Jahre wechselte Herr Biniok von der Volksbank Hannover, die 1987 mit der Volksbank Neustadt fusionierte, in den Vorstand der Volksbank Peine. Wir blieben aber weiterhin in Kontakt. Im Jahre 2000 fragte er mich, ob ich mir einen Wechsel in den Vorstand der Volksbank Peine vorstellen könnte. Die Möglichkeit, Ideen aktiv umsetzen und damit die Zukunft eines Unternehmens direkt gestalten zu können, gab den Ausschlag für diese Entscheidung. Ferner fand ich bei den Mitarbeitenden der Volksbank Peine schon bei meinen ersten Besuchen ein Kundenselbstverständnis vor, wie ich es von „meiner Bank“ erwarte.“
 

Wie war es für Sie in den Vorstand der Volksbank Peine berufen zu werden? Ist für Sie damit ein Berufs-Traum in Erfüllung gegangen?

„Natürlich war es für mich beruflich ein ganz besonderer Schritt erstmals in den Vorstand einer Bank berufen zu werden. Gleichzeitig bedeutete es aber auch, eine große Verantwortung für die Belegschaft und die Kunden zu übernehmen.
Ein erfolgreiches Unternehmen braucht ein starkes Team. Jeder einzelne Mitarbeitende zahlt durch sein tägliches Handeln auf den Erfolg der Bank ein oder anders gesagt, die Bank ist so gut, wie die Mitarbeitenden, die in ihr arbeiten. Ich hatte Glück, dass ich dieses Team in Peine vorfand."


Als Vorstandsmitglied waren Sie – vom kleinsten Detail bis zur großen Linie – für vieles in der Bank verantwortlich. Wie sind Sie mit dieser großen Verantwortung umgegangen?

„Sowohl die Zusammenarbeit im Vorstand, mit der Führungsmannschaft, der Belegschaft aber auch dem Betriebsrat war von Vertrauen und Unterstützung geprägt. So konnten wir die gemeinsam beschlossenen Strategien und Ziele auch durch Unterstützung im Aufsichtsrat erfolgreich umsetzen und auch schwierige Phasen, wie z. B. die weltweite Bankenkrise erfolgreich meistern. Dabei war es meinem langjährigen Vorstandskollegen Herrn Brunke und mir immer wichtig, das Wohl der Bank mit ihren Kunden und Mitarbeitenden als oberstes Ziel im Auge zu haben.“


Zum 1. Januar 2016 fusionierte die Volksbank Peine mit der Volksbank BraWo. Welche Rolle spielten Sie bei der Fusion?

„Die Fusion mit der Volksbank BraWo war strategisch ein ganz wichtiger Schritt in eine erfolgreiche gemeinsame Zukunft. Ich war damals wie heute der vollen Überzeugung, dass wir mit der Fusion den richtigen Weg einschlugen. Meine primäre Aufgabe bestand darin, die Mitarbeitenden und die Vertreter der Bank für diesen Weg zu begeistern und ihnen Zweifel oder Sorgen zu nehmen. Ein entscheidender Erfolgsfaktor war, dass final alle Beteiligten von diesem Schritt überzeugt waren und ihre volle Kraft auf eine erfolgreiche Umsetzung konzentrierten.“


In der Volksbank BraWo waren Sie für den Bereich Vertrieb Privatkunden zuständig, seit Ende 2019 für die Betriebsbereiche, Banksteuerung und die Marktfolge. Was haben Sie dort bis heute bewirkt?

„Ich habe fast 40 Jahre im Vertrieb gearbeitet. Die täglichen Anforderungen an unsere Mitarbeitenden im Vertrieb sind mir also sehr gut bekannt. Deshalb habe ich mich in den letzten drei Jahren mit Zuständigkeit für die Betriebsbereiche und die Marktfolge insbesondere für ein besseres gegenseitiges Verständnis in der Zusammenarbeit im Interesse unserer Kunden eingesetzt.“
 

Was waren rückblickend Ihre schwierigsten Entscheidungen und was die wichtigsten Highlights Ihrer Laufbahn?

„Es gab in meinem Berufsleben viele schwierige Entscheidungen. Aber die weitgehendste und damit sicherlich auch die bedeutendste war tatsächlich die Fusion 2016. Das Ergebnis einer solchen Entscheidung kann man nicht mehr allein beeinflussen. Es bedarf eines hohen Maßes an Vertrauen in Zusagen aller Beteiligten und einer guten Analyse im Vorfeld. Eine falsche Entscheidung kann erhebliche negative Folgen für die Belegschaft und die Kunden mit sich bringen. Negativbeispiele gibt es dafür genug.
Wir haben das aber durch gegenseitige Wertschätzung gemeinsam mustergültig hinbekommen, da alle Absprachen und Vereinbarungen zum Wohle aller Beteiligten vollständig umgesetzt wurden. Mein ausdrücklicher Dank gilt meinen Vorstandskollegen und dem Aufsichtsrat unserer Bank. Die erfolgreiche Entwicklung unserer BRAWO GROUP in den Jahren danach bestätigt die Richtigkeit der gemeinsamen Entscheidung. Es ist wichtig, bedeutende Entscheidungen im Vorfeld mit Bedacht gut abzuwägen, danach muss man zu ihnen stehen.“


Hätten Sie irgendetwas in Ihrer Karriere gerne anders gemacht?

„Nein, ich kann heute am Ende meines aktiven Berufslebens sagen, dass alles gut war, so wie es gekommen ist. Ich empfinde es als großes Glück, dass ich überwiegend mein ganzes Berufsleben lang Freude und Begeisterung bei der täglichen Arbeit erfahren durfte.“


Was unterscheidet die Volksbank BraWo im Jahr 2023 von anderen Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR)?

„Wir sind ein sehr innovatives Unternehmen und bauen für die Kunden ein perfektes Ökosystem um die Bank auf. Ziel ist es dabei, immer erster Ansprechpartner bei der Problemlösung für unsere Kunden zu sein.
Außerdem gelingt es uns trotz der Größe des Hauses das „Wir-Gefühl“ und den Zusammenhalt des gesamten Teams in der BRAWO GROUP zu erhalten.“


Die Bankenwelt hat sich enorm verändert. Was sind die größten Herausforderungen der Branche für die Zukunft?

„Ich sehe neben der überbordenden Regulatorik die größten Herausforderungen für die Zukunft darin, gut ausgebildetes Personal zu finden und das vorhandene Wissen an junge Mitarbeitende frühzeitig weiterzugeben.“


Wie sieht die Volksbank BraWo in zehn Jahren aus?

„Wenn ich auf die vergangenen sieben Jahre zurückschaue, dann würde ich mir bei der Dynamik der Entwicklungen nicht einmal zu trauen fünf Jahre nach vorne zu prognostizieren. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass sich die Bankenwelt in den nächsten zehn Jahren massiv weiter konsolidieren wird und dass unsere BraWo weiterhin ein starker Partner vor Ort sein wird. Ich bin auf die Zukunft sehr gespannt und werde die Entwicklung natürlich weiter verfolgen.“
 

Was wollten Sie Ihren Vorstandskollegen Herrn Brinkmann und Herrn Uhde schon immer mal sagen?

„Wir pflegen im Vorstand ein offenes Vertrauensverhältnis. Das bedeutet keineswegs, dass wir immer einer Meinung sind. Das ist aber auch gut so, wenn man für die Entwicklung der Bank das Beste erreichen möchte. Gleichwohl werden konträre Punkte sofort offen angesprochen. Insofern bleibt mir Herrn Brinkmann aber auch Herrn Uhde jetzt nur noch danke für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit in den gemeinsamen Jahren zu sagen.“


Was geben Sie den Mitarbeitern der Volksbank BraWo und auch dem Aufsichtsrat mit auf den Weg?

„Gleiches gilt natürlich auch für den Aufsichtsrat der Bank, der mir stets sein Vertrauen entgegenbrachte. Bei den Mitarbeitenden der Bank und im Konzern bedanke ich mich ausdrücklich für ihr tägliches Engagement und den offenen, konstruktiven und ehrlichen Austausch.
Ich wünsche Ihnen persönlich alles Gute und in der BRAWO GROUP viel Erfolg für die Zukunft. Unsere Unternehmensgruppe bietet hervorragende Entwicklungsmöglichkeiten für motivierte und engagierte Mitarbeitende. Nutzen Sie diese Chancen!“


Bleiben Sie dem Peiner Land auch weiterhin erhalten?

„Meine Familie und ich fühlen uns sehr wohl hier in Peine. Wir haben viele sehr nette Menschen und gute Freunde kennengelernt. Mein Sohn geht weiterhin hier zur Schule, sodass unser Lebensmittelpunkt definitiv in Peine bleiben wird.“


Was haben Sie sich für Ihren Ruhestand vorgenommen? Worauf freuen Sie sich am meisten?

„Ich freue mich, dass ich künftig mehr Zeit für die Familie und eigene Hobbies haben werde. Das Privatleben wird jetzt priorisiert. Da ich dann nicht mehr jeden Tag die Treppen zu meinem Büro im 15. Stock laufen werde, wird auch regelmäßiges Joggen auf dem Plan stehen.“

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Vorstandsmitglied Ralf Schierenböken im Interview.